Kennst du diese 4 'frauentypischen' Verhaltensweisen?

 
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Hast du dir auch schon mal gedacht: ‚Männer und Frauen kommunizieren total unterschiedlich‘? Oder: ‚Das ist ja mal wieder typisch Mann/ Frau‘?

Oder hast du unwillkürlich bei einer Äußerung in einem Gespräch gedacht: ‚Das würde eine Frau/ ein Mann so nie tun oder sagen?‘

Offensichtlich haben wir alle bestimmte Kategorien im Kopf, wie Frauen und Männer typischerweise kommunizieren. Viel davon wurde uns durch Sozialisierung vermittelt und anderes hat sich durch fortlaufende Beobachtungen in uns verfestigt.

 

Gender beschreibt erlernte Verhaltensmuster.

In diesem Artikel geht es um gendertypische Verhaltensweisen. Gender meint dabei das soziokulturelle Geschlecht: es äußert sich in erlernten oder erfahrenen Mustern, die einem bestimmten Geschlecht in unserer Gesellschaft zugeschrieben werden. Es wird geprägt durch Vorstellungen, Erwartungen und Verhaltensnormen.

Beispiele dafür sind: ‚Mädchen sitzen nicht breitbeinig.' ‚Jungs weinen nicht.‘ ‚Du bist so eine richtige kleine Prinzessin.‘ ‚Jungs dürfen auch mal laut sein.‘ ‚Typisch Frau: immer so emotional.‘ ‚Der Mann muss mal richtig auf den Tisch hauen.‘

Sprache bildet Wirklichkeit ab: wenn frau solche oder ähnliche Anmerkungen immer wieder hört, formt das natürlich ein ganz bestimmtes Bild. Es bilden sich Kategorien aus: was angebracht ist und was nicht, wie frau sich verhält.

Natürlich verändern sich solche Zuschreibungen laufend, weil sich unsere Gesellschaft und individuelles Umfeld verändern und entwickeln. Was für unsere Großeltern noch gültig war, hat für uns heute in vielen Fällen keine Bedeutung mehr.

So ist das Stereotyp des nicht-weinenden Mannes hoffentlich eines, das bald verschwunden sein wird: Besser wär's. 

 

'Typisches' Verhalten zeigt ein Geschlecht vermehrt. 

Wenn wir von gendertypischen Verhaltensweisen sprechen, meint das ‚typisch‘ folgendes: es sind Muster und Verhaltensweisen, die bei Studien ein größerer Teil der Frauen als der Männer gezeigt hat, und umgekehrt.

Bestimmte Gesprächsstile sind also statistisch gesehen häufiger bei dem einen, als bei dem anderen Geschlecht nachzuweisen. Natürlich kann aber prinzipiell jede Person, unabhängig von ihrem Geschlecht, diese Verhaltensweisen zeigen. Bei der Diskussion rund um gendertypisches Kommunikationsverhalten sind reine Verallgemeinerungen nie sinnvoll.

Deswegen lass mich voranstellen: natürlich gibt es auch immer Personen, auf welche die beschriebenen Merkmale nicht zutreffen. Etwa Frauen, die sich nicht unterbrechen lassen und sich beim Sprechen viel Raum nehmen. Oder Männer mit einer leisen Stimme, mit einer kooperativen Verhaltensweise.

 

Hierarchie und Situation: Wichtiger als Gender-Aspekte

Viel wichtiger als Gender-Aspekte in der Kommunikation sind nämlich unter Umständen Hierarchieverhältnisse oder situationsabhängige Sprechrollen. Es gibt Situationen, in denen Männer als ‚weiblich‘ charakterisiertes Sprechverhalten zeigen: etwa, wenn sie sich in einer hierarchisch niedrigeren Situation befinden.

Im Folgenden schauen wir uns also bestimmte Verhaltensweisen an, die bei Personen des einen Geschlechts öfter auftreten, als bei jenen des anderen.

'Frauentypisches' Verhalten ist nicht defizitär.

Noch eine Sache ist mir sehr wichtig: beim Nachdenken über ‚frauentypisches‘ Verhalten im Gegensatz zu ‚männertypischem‘ passiert es schnell, dass das Sprechen von Frauen als defizitär und negativ bewertet wird.

Das männliche Sprechen hingegen wird als der Normalfall hingestellt und Frauen dann darin trainiert, möglichst nahe an die 'Idealform' ranzukommen. Männer atmen dann erleichtert auf; ihre Art zu kommunizieren ist ja nicht problematisch.

Doch viele der typisch 'männlichen' Verhaltensweisen, wenn man sie aus weiblicher Sicht betrachtet (und nicht nur dann), sind durchaus problematisch. Dominantes Verhalten in Gesprächen oder deutlich mehr Raum zu beanspruchen, als jeder einzelnen Person zusteht, sind alles andere als kooperativ, wertschätzend und auf gemeinsame Lösungen ausgerichtet. 

Personen, die solches Verhalten an den Tag legen, täte eine Runde Feedback und Bewusstwerdung mehr als gut. Deswegen soll die folgende Aufstellung dazu dienen, neue Beobachtungsfelder zu eröffnen und die eigenen Wahrnehmungen zu schärfen. Auf beiden Seiten. 

Schließlich bin ich überzeugt, dass für alle Menschen, welches Geschlecht auch immer sie haben, erfolgreiche Kommunikation vor allem an 2 Dingen hängt: innere Haltung und Bewusstsein.

Hier sind sie also, 4 'frauentypische' Verhaltensweisen in der Kommunikation: 

 

1.       Abschwächungen, die klein machen

Ha, eines meiner Lieblingsthemen und ein brennendes Thema für viele Frauen. In meinem Artikel ‚Ohne diese Wörter kommunizierst du kraftvoller‘ habe ich bereits einiges darüber geschrieben. Übrigens ist das einer der beliebtesten und meistgeklickten Artikel auf meiner Website.  

Bei den Abschwächungen oder Einschüben handelt es sich um Wörter, die deine Äußerungen klein machen. Es sind Wendungen, die oft unbewusst benutzt werden. Sie dienen dazu, die eigenen Statements zu ‚entschärfen‘: wenn du versuchst, anderen Personen nicht auf die Füße zu treten oder wenn du unsicher bist. Oder wenn du es allen recht machen willst.

Manche Frauen haben auch schon erlebt, dass es abgestraft wird, wenn sie zu ‚dominant‘ rüberkommen: die Abschwächungen können ein unterbewusster Mechanismus sein, um die Kraft aus bestimmten Äußerungen zu ziehen. Dann tun sie niemandem weh und niemand kann was dagegen sagen.

Stimmt leider so nicht. Denn diese Einschübe wirken auch bei den Zuhörern aufs Unterbewusstsein und werden als Unsicherheit wahrgenommen: sie legen also das offen, was du dadurch verbergen willst.

Bei den Abschwächungen handelt es sich um Wörter wie: irgendwie, eigentlich, nur, sozusagen.

Auch Entschuldigungen gehören zu den kommunikativen Abschwächungen dazu. Etwa, wenn du ein Statement folgendermaßen einleitest: ‚Entschuldigung, dass ich dazu auch mal was sage, aber…

Außerdem wirkt es abschwächend, wenn du ein Statement in eine Frage verwandelst. Das passiert, wenn du am Ende eines Satzes mit der Stimme nach oben gehst.

Wenn du tatsächlich eine Frage stellen willst, ist diese Intonation ok. Wenn du jedoch eine Aussage treffen willst, dann geh mit der Stimme am Ende eines Satzes runter: setze einen Punkt.

 

2.       Wenig dominantes Verhalten in Gesprächen

Um zu definieren, was wenig dominantes Verhalten in einem Gespräch ist, schauen wir zu Beginn auf dominante Formen des Gesprächsverhaltens: sie steuern und kontrollieren ein Gespräch.

Dominante Formen des Gesprächsverhaltens sind:

  • Unterbrechungen, Vorantreiben von Sprecher*innenwechsel

  • Längere Redezeit und mehr Redebeiträge beanspruchen

  • Starke Steuerung von Gesprächsthemen und Einleiten von Themenwechseln

Diese dominante Form des Gesprächsverhaltens wird typischerweise eher Männern zugeschrieben. Wenn ich mir ein Gespräch vorstelle, in dem die oben genannten Merkmale überwiegen: klingt nicht gerade nach gleichberechtigtem Austausch, bei dem sich beide Seiten zuhören… 

Während das dominante Verhalten auf das Steuern von Gesprächen abzielt, werden mit den nichtdominanten Formen Gespräche aufrechterhalten.

Nichtdominante Formen des Gesprächsverhaltens sind:

  • Herstellen von Bezügen zwischen verschiedenen Statements. Redebeiträge werden thematisch unterstützt und weitergeführt, selbst wenn die eigenen Themen nicht beachtet werden.

  • Fragen stellen: jede Frage verlangt als korrespondierende Reaktion eine Antwort. Fragen werden in einem Gespräch typischerweise deutlich häufiger von Frauen gestellt.

  • Kooperierendes Sprachverhalten: dazu zählen Unschärfeformulierungen (‚Es scheint, dass…‘, ‚Ich würde sagen, dass…‘), die oben beschriebenen Abschwächungen und einschränkende Formulierungen, sowie Entschuldigungen.

In gemischtgeschlechtlichen Gruppen neigen Frauen häufiger zu den nichtdominaten Formen des Gesprächsverhaltens. Dadurch kommt es zur Benachteiligung von Frauen im Gespräch mit Männern: dieses Verhalten ist oftmals nicht bewusst aggressiv. Vielmehr werden durch Sozialisation erworbene Rollenmuster im Gespräch unbewusst wiederholt.

Gegensteuern lässt sich: mit Bewusstheit. Ausdrücklich auf beiden Seiten.
In meinem letzten Artikel habe ich beschrieben, wie dich die kooperative Kraft der Rhetorik stärkt

Kooperatives Gesprächsverhalten zu beherrschen und anzuwenden ist wunderbar, wenn du gleichzeitig auch darauf bestehst, dass deine Themen diskutiert werden oder wenn du selbstbewusst deine Redezeit beanspruchst.  

 

3.       Viele Rezipienzsignale: Kleine, bestätigende Äußerungen

Im Wort ‚Rezipienzsignal‘ steckt das Verb ‚rezipieren‘ drin. Das bedeutet soviel wie: beim Hören oder Lesen aufnehmen. In der Kommunikation sind damit kleine, bestätigende Signale gemeint, die Zustimmung signalisieren. Oft gehen sie mit einem wohlwollenden Kopfnicken einher. Oder mit einem freundlichen Lächeln.

Diese Signale dienen dazu, dem Gesprächspartner mitzuteilen: ‚Ich höre dich‘ oder ‚ich stimme dir zu‘. Auf der sprachlichen Ebene wird etwas gesagt, wie: ‚hmm‘, ‚genau‘, ‚aha‘ oder ‚ja‘. Meistens laufen diese kleinen Äußerungen parallel zu den Aussagen der Person, die gerade spricht oder fügen sich genau in die Lücken zwischen einzelnen Sätzen ein.

Rezipienzsignale unterstützen das Gespräch

Diese Rezipienzsignale bedrohen das Rederecht der sprechenden Person nicht. Das unterscheidet sie von Verhaltensweisen, die Unterbrechungen vorbereiten. Im Gegenteil: sie ermuntern zum Weitersprechen und halten gerade dadurch das Gespräch am Laufen. Es ist eine Form, um Interesse zu signalisieren und die Entwicklung des Gesprächs zu unterstützen.

Typischerweise werden Rezipienzsignale in Gesprächen deutlich häufiger von Frauen eingesetzt. Viel, viel häufiger.

Und an ihnen ist auch gar nichts verkehrt, prinzipiell: schließlich dienen sie im Idealfall dazu, eine anregende und interessierte Atmosphäre zu schaffen und das Gespräch dadurch voranzubringen.

Wen bestätigst du mit deinem Interesse? 

Schwierig kann es nur werden, wenn durch die fortlaufenden Bestätigungen Vielredner ermuntert werden, sich noch weiter auszubreiten. Und diese dann, wenn sie kurz schweigen, die erfahrene Bestätigung nicht mal zurückgeben.

Ein typisches Beispiel dafür ist: eine Person breitet sich 30 Minuten darüber aus, was sie tut und auf welche Weise. Immer unterstützt durch die bestätigenden Äußerungen, das Interesse und die Rückfragen der zuhörenden Person. Nach 30 Minuten kommt dann doch die Rückfrage: 'Und, was machst du so?'

Die bislang zuhörende Person setzt nun zum Reden an, allerdings kommen keinerlei zugewandte, interessierte Signale vom Gegenüber. Stattdessen wandert der Blick im Raum umher, der Körper drückt Unruhe aus. Fazit: die Person, die 30 Minuten zugehört hat, wird dann höchstens 2 Minuten sprechen... Ziemlich unbefriedigend, oder? 

Wenn du merkst, dass du durch freundliche Signale die ganze Zeit jemanden unterstützt hast, der das für dich und deine Themen nicht im gleichen Maße tut, dann kannst du sie deutlich zurückfahren. Oder dich jemandem zuwenden, der dir auch kommunikative Unterstützung bietet und an einem wirklichen Gespräch (im Sinne von: Austausch) interessiert ist. 

Denn inwieweit du im Gespräch durch zustimmende Signale unterstützt wirst, wirkt sich direkt auf deine Redezeit und den Erfolg deiner Themensetzung aus. Geh also bewusst mit deiner Aufmerksamkeit und Zuwendung durch bestätigende Signale um! Und such dir Verbündete, die dich ebenso befeuern, wie du sie. 

 

4.       Einnehmen von wenig Raum

Sicherlich hast du schon mal Menschen beobachtet, die auf den Bus oder die U-Bahn warten. Oder darauf, dass die Ampel endlich auf Grün springt. Wie standen oder saßen die da? Wie setzen sich Frauen in der U-Bahn hin, wie Männer?

Vielleicht fallen dir sofort typische Posen ein – vielleicht du fährst in den kommenden Tagen mit dieser Frage im Kopf offenen Auges durch deine Stadt.

Breite Beine in der U-Bahn

Stefanie de Velasco hat sehr pointiert beschrieben, zu welchen Maßnahmen sie mittlerweile greift, um sich in öffentlichen Verkehrsmitteln Platz zu verschaffen. Und auch wenn dir ihre Taktik noch einen Zacken zu scharf ist, so schaut es doch meistens so aus: typischerweise nehmen Frauen eher weniger Raum ein, während Männer deutlich mehr davon beanspruchen.

Den meisten Mädchen wird von klein auf beigebracht, mit geschlossenen Beinen dazusitzen oder sie besser noch übereinanderzuschlagen: es soll ja niemand unter den Rock gucken, oder?

Doch bei beiden Varianten wird im Sitzen deutlich weniger Raum eingenommen, als wenn die Beine locker oder extra breit auseinanderfallen. Und der Raum, der entsteht, wenn sich eine Person zurücknimmt, wird von einer anderen umso schneller gefüllt. Siehe Armlehnen im Flugzeug, U-Bahn-Sitze oder Ellbogenplatzierungen am Meetingtisch.

Im Stehen begünstigen hohe Schuhe unter Umständen das Einnehmen von weniger Raum. In einem früheren Artikel habe ich z.B. aufgeschrieben, warum du beim Präsentieren auf hohe Schuhe verzichten solltest.

Ungenutzter Raum wird von jemand anderem gefüllt.

Oft lässt sich auch beobachten, dass Frauen nicht nur körperlich zurückgenommener agieren, sondern auch weniger Blickkontakt aufnehmen. Das mag auch mit der Angst zusammenhängen, dass ein forscher Blick gleich als Aufforderung verstanden werden könnte: viele Frauen berichten mir, dass sie umso mehr ihre Blicke auf den Boden richten, je mehr sie den Eindruck haben, angestarrt zu werden.

Doch auch hier gilt: ungenutzter Raum wird einfach von jemand anderem gefüllt.

Deswegen: mach dich groß, ‚entfalte‘ dich und lass deinen Blick wandern. Beine fest auf dem Boden, hüftbreiter Abstand zueinander. Schultern gerade und aufgerichtet. Geh mit deiner Gestik raus, nimm dir Raum. Direkter Blick, klare Ansprache.

Wenn du dir körperlich Raum nimmst, wirkt sich das sofort auch auf deine Stimme und deinen Sprechausdruck aus: so kommen deine Worte an.

 

Probier dich aus: Verhaltensweisen sind zum Experimentieren da.

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Wenn du diese Verhaltensweisen bei dir beobachtest und sie dir dadurch bewusst machst, kannst du anfangen, mit ihnen zu arbeiten. So kannst du Verhaltensweisen verändern, die dich einschränken oder es dir unter Umständen schwermachen, ein Gesprächsziel zu erreichen.

Was natürlich immer geht und riesigen Spaß macht: Du kannst ganz bewusst ein Verhalten ausprobieren, das dir möglicherweise erst mal fremd vorkommt. Im Flugzeug beide Armlehnen beanspruchen. In der Bahn auf den vollen Teil des Sitzplatzes bestehen. Im Meeting beide Ellbogen auf den Tisch packen und deine Worte mit deutlicher und raumgreifender Gestik unterstützen.

Mit beiden Beinen fest im Boden verwurzelt und breitbeinig stehend auf den Bus warten. Taxierende Blicke direkt und mit klarer Haltung zurückgeben. Keine sprachlichen Weichmacher mehr benutzen, sondern deine Botschaft klar auf den Punkt bringen. Und deine Aufmerksamkeit mit Bedacht deinen Gesprächspartner*innen zukommen lassen.

Und nach dem Ausprobieren: Pick dir die Verhaltensweisen raus, die dich stärken, tragen und dein Anliegen unterstützen. Du hast so viele Möglichkeiten. Und trau dich, am besten mit Neugier im Herzen, auch aus deiner Komfortzone raus. 

 

Auf Erkenntnis folgt Veränderung. 

In jeder Kommunikationssituation kannst du dich bewusst für ein Verhalten, einen bestimmten Körper- oder Sprechausdruck entscheiden. Und was für eine Befreiung: nicht mehr von Prägungen bestimmt sein, sondern kommunizierend eigene Entscheidungen treffen.  

Haltung und Bewusstsein, ja.