4 einfache Sprechübungen für eine deutliche Aussprache
Bevor sich eine Rednerin ans Pult oder auf die TED-Talk Bühne stellt oder bevor Schauspieler:innen auf die Bühne gehen, haben sie sich sehr wahrscheinlich stimmlich erwärmt.
So wie sich Sportler:innen aufwärmen und ihre regelmäßigen Trainingseinheiten ansetzen, um fit zu bleiben, so können auch dir regelmäßige, kleine Übungen dabei helfen, immer deutlicher zu artikulieren und eine immer klarere Stimme zu entwickeln.
Einfache Sprech- und Artikulationsübungen
Durch die folgenden Kraft- und Dehnübungen wird deine Artikulationmuskulatur trainiert und deine Aussprache insgesamt deutlicher. Damit sind die folgenden Übungen gute Vorübungen für deine Artikulationsmuskulatur und deine Wahrnehmungsfähigkeit.
Diese Sprechübungen haben noch nichts damit zu tun, Lautverbindungen akkurat zu sprechen oder Zungenbrecher fehlerfrei aufzusagen. Doch wenn du diese 4 einfachen Übungen wirklich gut beherrschst, hast du eine Basis gelegt, um deine Artikulation auch im Hinblick auf deine Sprechweise zu trainieren - und immer deutlicher zu sprechen.
Wir fangen ja auch nicht untrainiert direkt an, einen Marathon zu laufen - sondern nähern uns dieser Challenge in kleinen Übungseinheiten, Schritt für Schritt. Diese Sprechübungen sind der ideale Startpunkt für eine gute Artikulation, den ich tausendfach mit Kund:innen im Training erprobt habe.
Artikulationsübung: Entspanne deinen Kiefer wie ein Mops
Unser Kiefer hat ein Lieblingshobby: Er verspannt sich gern.
Falls auch du zu den nachts Knirschenden gehörst, dann kennst du sogar die Nacht- und Nebelvariante der unbewussten Stressabbau-Versuche deines Körpers.
Nun stell dir aber einmal einen Mopshund mit hängenden Wangen vor. Und jetzt stelle dir weiter vor, dass deine Wangen auch so hängen, wie die des Mops’.
Wahrscheinlich wirst du, wenig überraschend, deinen Kiefer erstmal bei seinem Lieblingshobby erwischen. Versuche nun jedoch die Schwerkraft deines Unterkiefers wirken zu lassen und deine Kaumuskeln zu entspannen.
Wenn unsere Kaumuskeln verspannt sind, wirkt sich das direkt auf den Klang unserer Stimme aus. Er wird höher und schmaler, weil durch die Verspannung auch Kehlkopf- und Zungenmuskulatur involviert werden.
Wenn du deinen Kiefer lockerst, wird sich der Klang deiner Stimme entspannen und wieder tiefer rutschen.
1-2 Minuten Kiefer in kleinen Kreisen massieren
1-2 Minuten: Um den Idealzustand des Mops zu erreichen, massiere zunächst deine Kaumuskeln (das sind die, die Brad Pitt gern benutzt, wenn er spielt, dass er Ärger unterdrückt).
Du kannst mit leichten Druck mit den Fingern vom Ohr aus das Jochbein herunter Richtung Hals streichen oder auch die Kaumuskeln in kleinen Kreisen massieren. Dabei liegt deine Zunge entspannt im Mund und dein Atem fließt gleichmäßig.
~ 1 Minute: Unterkiefer nach rechts und links verschieben
Anschließend kannst du deinen Unterkiefer ein paar Mal nach rechts und links verschieben, leicht, weich, ohne Druck. Lasse ihn zwischendurch immer wieder schwer absacken und spüre dem Gewicht nach, auch dem Gewicht deiner Zunge, die schwer im Unterkiefer ruht.
Denke dabei wieder an die hängenden Wangen des Mops.
Mache einen kurzen Körper-Scan und überprüfe, ob du ruhig und entspannt atmest, ob du nirgends sonst festhältst. Hände und Nacken sind entspannt.
2. Artikulationsübung: Zähneputzen mit der Zunge
1 Minute: Die Zunge über die Zähne im Kreis wandern lassen
Auch wenn die Zähne schon geputzt sind - putze mit der Zunge noch einmal freundlich nach, ohne viel Druck, indem du zwischen deinen Zähnen und dem Raum über und unter deinen geschlossenen Lippen die Zunge wandern lässt, immer im Kreis.
Wechsle hin und wieder die Richtung.
Diese Übung steigert deine Wahrnehmungsfähigkeit.
Deine Aufmerksamkeit richtet sich dabei auf deine Zungenspitze: Was ertastet diese, wie fühlt sich das an?
Bist du mal mehr bei deinen Zähnen oder mehr bei der Mundinnenseite über und unter deinen Lippen?
Nimm dir Zeit. Gib deiner Aufmerksamkeit die Zeit, um genau wahrzunehmen.
Auf diese Weise stärkst du deine Zungenmuskulatur und verbesserst deine Feinmotorik. Außerdem steigerst du deine sensorische Wahrnehmungsfähigkeit der Zungenspitze, mit welcher du im Endeffekt deine Muskeln steuerst.
3. Artikulationsübung: Pleueln - Zunge dehnen
Wenn du das Gefühl hast, dein Hals geht zu oder du hast einen Kloß im Hals, so „pleule“, bis du gähnen musst. Das öffnet den Rachenraum, was deine Stimme wiederum voller klingen lässt.
30 Sekunden: Zungenspitze an Schneidezähne und Zungenrücken vorwölben
Und „Pleueln“ geht so: führe deine Zungenspitze an die unteren Schneidezähne, lasse sie dort und wölbe nun den hinteren Rest deiner Zunge, also den Zungenrücken, aus dem Mund heraus. Als würdest du mit deiner Zunge eine Brücke schlagen.
Halte die Spannung, lass wieder los, halte die Spannung… Im Tempo kannst du variieren. Bei jeder Entspannung deiner Zunge, spüre der Entspannung nach.
Gähnen entspannt den Kehlkopf und öffnet den Rachenraum.
Gähnen ist übrigens bei all diesen Übungen eine super Sache. Gähne mit voller Hingabe und gib Stimme dazu. So lässt du nicht nur Sauerstoff kommen, sondern entspannst den Kehlkopf und öffnest den Rachenraum.
4. Artikulationsübung: Lippenflattern wie Pferdeprusten
Weil wir nun mit dem Mops schon in der Tierwelt waren, hier noch ein Bild für dich.
Du bist gerade als Pferd unterwegs und hast einen energievollen Ausflug in den Weißen Bergen hinter dir, einer Traumlandschaft, wo die ältesten Pinienbäume der Welt wachsen. Nun trabst du langsam in der frischen angenehmen Morgenluft und lässt ganz pferdetypisch deine Lippen flattern. Du prustest genüsslich, einfach nur, weil es Spaß macht.
1-2 Minuten: Lippen stimmlos und stimmhaft flattern lassen
Lasse deine Lippen mal stimmlos, mal stimmhaft flattern. Und wenn du sie stimmhaft flattern lässt, nimm auf leichte Weise eine kleine Melodie dazu, die dir vertraut ist. Lass die Stimme weich kommen, ohne Druck.
Bald schon sind deine Lippen warm und du kannst losartikulieren, was du schon immer mal sagen wolltest. Sei es als Pferd inmitten von 5.000 Jahre alten Bäumen oder als du bei einer wichtigen Arbeitssitzung.
Stell dir ein kleines Programm an Sprechübungen zum Aufwärmen zusammen.
Alle diese Übungen kannst du nach eigenem Ermessen zwischen 30 Sekunden und 2 Minuten dauern lassen. Je nach Lust und vorhandener Zeit.
Manche kannst du auch auf dem Rad auf dem Weg zu einer Besprechung, Rede o.ä. machen.
Sollten dir diese Übungen gefallen, gib mir gerne ein Feedback, welche dir am meistens zusagen, und zu welchen Veränderungen sie bei dir führen.
Sag auch Bescheid, ob du noch mehr Artikulations- und Sprechübungen ausprobieren möchtest. Der nächste Artikel macht sich schon bereit. Und hier findest du übrigens auch einige Übungen zum ganzkörperlichen Aufwärmen vor einer Redesituation.
Hab Geduld: Gute Artikulation ist eine Sache der Übung.
Je nachdem, wie häufig du die oben vorgestellten Artikulationsübungen machst und in wie viele Testsituationen du dich im Alltag oder auch im Beruf begibst, wirst du sehr bald schon erste Veränderungen bemerken.
Artikulationstraining wirkt sich auf Stimme und Sprechweise aus.
Deine Stimme wird sich mit der Zeit verändern.
Du wirst klarer sprechen und deine Lautstärke der Lautstärke deines Gegenübers oder auch der Raumsituation anpassen können.
Deine Stimme wird voller klingen. Deine Aussprache wird sich bewusster gestalten.
Du sprichst deutlich, entschieden - und bleibst dran.
Die Konsonanten wirst du kraftvoller absprechen und deinen Mund weiter öffnen, damit du die Vokale mit Entschiedenheit ins Außen schicken kannst.
Du wirst deine Sprechspannung passend zur jeweiligen Situation wählen und abrufen können.
Was anfangs ungewohnt war, wird sich mit der Zeit immer selbstverständlicher anfühlen. Potentiell wirst du mutiger werden und dranbleiben, auch wenn du dich mal wiederholen musst. Und wenn dich jemand unterbricht, wirst du selbstbewusst den Faden wieder aufnehmen.
Viel Freude dabei!